Der Minister im Apfelbaum

Äpfel pflücken statt Deutschunterricht – das hört sich nach Arbeit an und dann auch noch ein Gespräch mit dem Umweltminister - das klingt wenig gechillt für einen Freitagvormittag, an dem man sich eigentlich schon auf das Wochenende eingestellt hat.

Freitagmorgen, viertel vor 9 -  Marvin, Wladimir und Alexander, Schüler des Ludwigsgymnasiums Saarbrücken, schauen ein bisschen skeptisch: Äpfel pflücken?

Um 9.00 Uhr ist der  Deutsch-Grundkurs von Frau Schmidt aber fast vollzählig an der Bushaltestelle Roonstraße versammelt, um mit dem Bus 103 nach Gersweiler-Ottenhausen zu fahren.

Dort liegt das erste Ziel ihrer Exkursion, der Garten von Katja und Michael Sponholz, und es wartet eine echte Herausforderung auf die jungen Leute. Die Sponholzens haben nämlich einen riesengroßen Apfelgarten mit ca. 15 Apfelbäumen. Im Gegensatz zum Vorjahr, in dem der späte Frost im April einen Großteil der Ernte vernichtete,  biegen sich in diesem Jahr die Bäume unter ihrer Last. Einige Starkregen und Gewitter haben außerdem dazu geführt, dass zahlreiche Äste abgebrochen sind.

Mitten im Garten steht nun ein großer Hänger mit 24 sehr leeren Holzkisten.  Zunächst noch etwas zögerlich fangen die Jugendlichen an, die Äpfel aufzusammeln und in die Bäume zu klettern. „Die roten Sternrenetten sind besonders gut“, verrät Katja Sponholz Anna, Mai Linh und Hannah. Die Mädchen machen sich auf den Weg in den hintersten Winkel des Gartens und kommen nach zehn Minuten fröhlich kauend mit einer vollen Kiste der alten Apfelsorte zurück. „Die schmecken richtig lecker, viel besser als im Supermarkt“, meinen die drei unisono. Angela hat eine andere Sorte geerntet und findet die Äpfel ebenfalls klasse: „Die Golden Delicious schmecken echt super.“ Die angehenden Abiturienten begeistern sich schnell für die Apfelernte. Jakob und Moritz tragen die Leiter von Baum zu Baum.  Der Längste im Kurs, Gustav, angelt mit dem Pflückkorb in schwindelerregender Höhe nach dem schönsten Apfel für seine Banknachbarin Teresa. Fiona hockt im Gras und untersucht jeden einzelnen Apfel kritisch auf seine Tauglichkeit. Als Erfrischungsgetränk steht Apfelsaft vom letzten Jahr bereit und Katja Sponholz freut sich, wie schnell die Ernte voran geht.

Um 10:20 Uhr kommt Minister Reinhold Jost: Sportlich leger gekleidet, eine Tweedkappe auf dem Kopf, begrüßt er zuerst einmal alle mit Handschlag: „Ich bin Reinhold“ und steigt dann selber auf die Leiter, um Äpfel zu pflücken. Es macht ihm sichtlich Spaß. „Niemals hätte ich gedacht, dass ein Minister so cool sein kann,“ sagt Lucas. „Ich habe ihn mir immer mit Anzug mit Krawatte am Schreibtisch vorgestellt.“ Locker ist Minister Jost auch bei der Gesprächsrunde mit den Schülerinnen und Schülern. Präzise und sachkundig beantwortet er Fragen zu seiner Arbeit, zu den Obstwiesen, zum Tierschutz, zu Nachhaltigkeit und Biodiversität.  Biologieunterricht vor Ort: Die Schülerinnen und Schüler lernen, dass die Obstwiese im Saarland eine schützenswerte Kulturlandschaft ist, die gepflegt werden muss. Dass das sehr arbeitsintensiv ist, erleben die Jugendlichen hautnah.

Dank der großzügigen Unterstützung des Umweltministeriums werden am Ende der Aktion ingesamt 24 Kisten mit je zwölf Flaschen Apfelsaft ins Ludwigsgymnasium geliefert und dort verkauft werden. Der gesamte Erlös wandert in die Abiturkasse. „Das ist eine echte win-win-Situation“,  sagt Michael Sponholz lachend und schenkt gut gelaunt Apfelsaft aus. In knapp zwei Stunden haben die 16 Jungen und Mädchen 24 Kisten randvoll mit Äpfeln gefüllt. 

Nach der Ernte geht es zur zweiten Station: in die Kelterei des Obst- und Gartenbauvereins Gersweiler-Ottenhausen. Fritz Letzelter vom Gartenbauverein hat die 24 Kisten mit Äpfeln bereits abgeholt und im Hof der Kelterei gestapelt. Schüler Philipp, der um die Ecke wohnt, schleppt noch eine weitere Kiste Leergut an.

Das Gebäude der Kelterei in Gersweiler-Ottenhausen wurde 1974 von Gartenbauverein übernommen. Bis dahin beherbergte das Backsteingebäude die Feuerwehr. In Eigenregie und mit viel Liebe zum Detail restaurierten die Mitglieder des Gartenbauvereins das ehemalige Spritzenhaus. Anfang der 80er Jahre konnte der Verein seine Arbeit aufnehmen. Im hinteren Teil des Gebäudes befindet sich die Kelterei, der vordere Teil beherbergt ein gemütliches Vereins-Café.

Jörg Kuhn, der im Verein für die Etikettierung der Flaschen zuständig ist, erklärt die Einrichtung der Kelter und die Produktion: „Die Presse stammt noch aus Vorkriegszeiten“, erläutert er. Kuhn legt Wert darauf, dass bei der Produktion des Apfelsafts auf chemische Zusätze verzichtet wird. „Die Äpfel sind ungespritzt, die Pasteurisierung erfolgt durch das Erhitzen und die Flaschen werden mit Wasserdampf steril gemacht.

Fritz Letzelter kümmert sich derweil um die Äpfel. Zuerst häckselt er sie zu einer Art grobem Mus. Das Mus landet auf einem festen, braunen Tuch, das Letzelder geschickt einschlägt und unter die Presse schiebt. Der Saft fließt in ein Sammelbecken und von dort aus durch einen Schlauch in einen großen Kessel. Dort wird der „rohe“ Apfelsaft auf circa 80° erhitzt. Der erhitzte Saft läuft dann in eine kleine Zentrifuge und weiter zur Abfüllstation. Dort stehen die Flaschen kopfüber im Dampf. Bernd Meier, ein weißhaariger Mann mit Bart. nimmt sie heraus und befüllt sie mit dem Saft, der aus dem Schlauch läuft.

„Das Besondere hier bei uns in der Kelterei ist, dass jeder wirklich Saft von seinen eigen Äpfeln bekommt“, sagt Gerhard Mruk stolz. Er ist der erste Vorsitzende des Vereins. Alle Mitglieder des Gartenbauvereins sind ehrenamtlich tätig.

In der Zwischenzeit backt Rita Lezelter in der kleinen Küche wunderbare Apfel-Waffeln nach ihrem Geheimrezept. Die Zwölftklässler essen vergnügt, trinken Apfelsaft und verscheuchen die Wespen. Pawel und Lavinia entdecken eine eingebackene Wespe in ihrer Waffel und kichern. Alle schauen sich neugierig um und schmieden Pläne, wie sie das Team der Schulcafeteria dazu bringen, dass demnächst im Ludwigsgymnasium Apfelsaft aus Gersweiler-Ottenhausen auf den Tisch kommt - und damit Geld für die Abifete.

   

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